Wenn das Arbeitsverhältnis mit einem Mitarbeiter gekündigt werden soll, der an einer anerkannten Schwerbehinderung leidet, muss vor der Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes  eingeholt werden. Immer wieder stellt sich dabei die Frage, was das Integrationsamt bei seiner Entscheidung eigentlich prüfen muss und wie weit der Sachverhalt vor einer Entscheidung aufgeklärt werden muss.

Kein Kündigungsschutz im Kleinbetrieb

in Kleinbetrieben mit maximal 10 Mitarbeitern gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht. Der Arbeitgeber kann daher grundsätzlich ohne Angabe von Gründen kündigen. Dennoch wird auch hier vor der Kündigung die Zustimmung des Integrationsamts nach § 85 SGB IX benötigt.

Die Frage, was das Integrationsamt bei seiner Prüfung berücksichtigt wird deshalb besonders dann relevant, wenn kein Kündigungsschutz besteht und der Arbeitgeber behauptet, die Kündigung erfolge aus verhaltensbedingten Gründe, also aufgrund von Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers.

Zustimmung muss bei verhaltensbedingten Gründen regelmäßig erfolgen

Behauptet der Arbeitgeber in seinem Antrag verhaltensbedingte Gründe, muss das Integrationsamt fast immer die Zustimmung erteilen, denn bei einer Pflichtverletzung wird es in der Regel keinen Zusammenhang zwischen Behinderung und Kündigung geben. Anders ist dies, wenn der Arbeitgeber wegen längerer Erkrankungen oder häufiger Fehlzeiten  kündigt. Hier hat das Integrationsamt sorgfältiger zu prüfen, inwieweit ein Zusammenhang mit der Behinderung besteht.

Der taktisch versierte Arbeitgeber wird also dann, wenn kein Kündigungsschutzgesetzt anwendbar ist, er aber die Zustimmung des Integrationsamtes benötigt, immer verhaltensbedingte Gründe angeben, weil damit die Zustimmung des Integrationsamts fast automatisch erfolgt.

Das Integrationsamt prüft nur, ob zwischen Behinderung und Kündigung ein Zusammenhang besteht

Der von uns vertretene Arbeitnehmer wollte sich das nicht gefallen lassen. Wir machten daher gegenüber dem Integrationsamt geltend, dass die im Zustimmungsantrag angegebenen Pflichtverletzungen nur vorgeschoben sind und die Kündigung tatsächlich gerade aus Gründen erfolgt, die mit der Behinderung zusammenhängen.

Für das Integrationsamt stellte sich damit die Frage, ob und wie weit die vom Arbeitgeber angegebenen Kündigungsgründe aufgeklärt und inhaltlich geprüft werden müssen.

Das Integrationsamt war der Ansicht, allein die Tatsache, dass der Zustimmungsantrag formal auf verhaltensbedingte Gründe gestützt wird reiche aus, um die Zustimmung zu erteilen. Auch dann, wenn konkret vom Betroffenen vorgetragen wird, warum diese Gründe nicht vorliegen, müsse das Integrationsamt keine Beweiserhebung durchführen um festzustellen, ob die behaupteten Pflichtverletzungen vorliegen.

Eine rein formale Prüfung durch das Integrationsamt reicht nicht!

Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 04.11.2014

Gegen den mit dieser Begründung erlassenen Zustimmungsbescheid erhoben wir Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg, welches nach einer Beweisaufnahme mit Urteil vom 4. November 2014 (AZ: Au 3 K 14/40) über die Sache entschieden hat. Zur Frage, ob und wie umfangreich die Prüfung verhaltensbedingter Kündigungsgründe durch das Integrationsamt zu erfolgen hat, enthält das Urteil einige klare Aussagen:

Das Integrationsamt ist insbesondere nicht dadurch der Pflicht enthoben, sich von der Richtigkeit der für ihre Entscheidung wesentlichen Behauptungen eine eigene Überzeugung zu verschaffen, dass das Arbeitsgericht ggf. die für die Kündigungszustimmung wesentlichen Behauptungen einer selbständigen Feststellung unterziehen kann; wären nämlich unter dieser Voraussetzung das Integrationsamt und Verwaltungsgericht an den Tatsachenvortrag des Arbeitgebers gebunden, dann würde das Zustimmungsverfahren zu einer leeren Förmlichkeit ausgehöhlt und damit im Ergebnis dem Schwerbeschädigten der Rechtsschutz verweigert. Die Aufklärungspflicht, die ihre Rechtsgrundlage in § 20 SGB X findet, wird verletzt, wenn das Integrationsamt sich damit begnügt, das Vorbringen des Arbeitgebers, soweit es im Rahmen der nach § 85 SGB IX gebotenen Interessenabwägung zu berücksichtigen ist, nur auf seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen

Bei einem substantiierten Bestreiten des einer verhaltensbedingten Kündigung zugrunde liegenden Sachverhalts durch den Arbeitnehmer – wenn also der Geschehensablauf anders geschildert wird als vom Arbeitgeber – reicht es nicht aus, wenn sich das Integrationsamt lediglich auf mittelbare Aussagen verlässt, um die durch die divergierenden Aussagen entstandenen Widersprüche aufzuklären. Es sind vielmehr unmittelbare Zeugenaussagen oder schriftliche Stellungnahmen der am Geschehen Beteiligten einzuholen.

 In dem von uns vertretenen Fall hatte das Integrationsamt es versäumt, den Sachverhalt ausreichend aufzuklären. Das Gericht hörte deshalb Zeugen zu den behaupteten Pflichtverletzungen und holte damit die Versäumnisse des Integrationsamts nach.

Fazit

Wenn der schwerbehinderte Arbeitnehmer im Zustimmungsverfahren konkret darlegt, warum die vom Arbeitgeber angegebenen verhaltensbedingten Gründe nicht zutreffen bzw. nur vorgeschoben sind, dann ist das Integrationsamt verpflichtet, den Sachverhalt ggf. durch Anhörung von Zeugen oder sonstige Beweismittel so weit aufzuklären, dass eine Feststellung darüber getroffen werden kann, inwieweit die angegebenen Gründe tatsächlich vorliegen.

Darüber hinaus muss das Integrationsamt prüfen, ob die Gründe offensichtlich nicht geeignet wären, die Kündigung arbeitsrechtlich zu tragen. Eine vertiefte Prüfung wie vor dem Arbeitsgericht muss zwar nicht erfolgen. Das Integrationsamt kann sich aber nicht damit begnügen festzustellen, dass die Angegebenen Gründe überhaupt vorliegen. Ergibt sich, dass die Angegebenen Gründe vorliegen, sind diese aber offensichtlich nicht geeignet, eine Kündigung arbeitsrechtlich zu rechtfertigen, muss das Integrationsamt die Zustimmung verweigern.